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Der Fachvortrag von Dr. Klaus Reinsch 2004 in Göttingen
Was verraten Lichtkurven über die Natur kataklysmischer Veränderlicher?

Referiert von Gerd-Uwe Flechsig

Am Anfang der BAV Tagung 2004 in Göttingen hielt Dr. Klaus Reinsch von der örtlichen Universitätssternwarte mit dem traditionellen Fachvortrag. Der Vortragende beschäftigt sich beruflich mit kataklysmischen Veränderlichen. Diese untersucht er im Bereich der Röntgenstrahlung und des sichtbaren Lichtes. Studiert hat er an der Freien und der Technischen Universität in Berlin. Seine Diplomarbeit befasste sich mit Lichtkurven von Pluto und Charon. Im Jahre 1992 promovierte er an der TU Berlin über die Spektrometrie von intermediären Polaren.

Sein Vortrag während der BAV Tagung 2004 Was verraten Lichtkurven über die Natur kataklysmischer Veränderlicher? gestattete nicht nur einen Einblick in seine alltägliche Arbeit. Er lieferte auch wertvolle Anregungen für die BAV-Arbeit, die in der BAV Sektion Kataklysmische und Eruptive geleistet wird.

Herr Reinsch begann mit einem kurzen Ausflug in die Entdeckungsgeschichte sowie die Phänomenologie der kataklysmischen Sterne. Während aus China schon seit 1500 vor Chr. Überlieferungen vorliegen, sind in Europa erst seit 1670 Novaentdeckungen bekannt. Die Helligkeitsänderung kann durchaus 10 Größenklassen betragen mit Maxima bis zu -7 mag. Die typische Lichtkurve einer Nova zeigt einen steilen Anstieg der Helligkeit gefolgt von einem langsamen Abfall. Seit der Entdeckung von U Geminorum durch Hind 1856 sind die Zwergnovae bekannt. Hier kommt es zu Helligkeitsänderungen zwischen 2 und 5 mag innerhalb einiger Tage bis Wochen. In heutiger Zeit werden kataklysmische Sterne bei Himmelsdurchmusterungen entdeckt aufgrund der hohen Amplituden sowie der charakteristischen veränderlichen Spektren auch im Röntgenbereich. Hier wurde mit Hilfe des Röntgensatelliten ROSAT viel geleistet.

Bei der Beschreibung physikalischer Modelle ging der Vortragende zunächst auf die Komponenten kataklysmischer Systeme ein. Hier handelt es sich typischerweise um einen großen kühlen Stern und einen kompakten Begleiter, z.B. einen weißn Zwerg, die einander in wenigen Minuten bis hin zu Tagen umkreisen, je nach Masse und Abstand. Die Hülle des großen Sterns gelangt in die Roche-Sphäre des kleineren. Dadurch wird ein Masseübergang hin zum kleineren Stern verursacht. Dabei bildet sich zumeist eine Akkretionsscheibe aus. Allein bei diesem Materieeinfall kommt es bereits durch Umwandlung von kinetischer in thermische und Strahlungsenergie zur Aussendung von Licht, dem Akkretionsleuchten. Bei kataklysmischen Veränderlichen mit starken Magnetfeldern zwischen 100 und 2000 Tesla können die Akkretionsscheiben unterbrochen sein oder ganz fehlen. Analog zum irdischen Polarlicht können durch die Magnetfelder Teilchenströme beschleunigt werden und bei Kontakt mit Gasen Leuchterscheinungen hervorrufen. Die kataklysmischen Systeme geben in einem weiten Bereich elektromagnetische Strahlung ab. So leuchten die großen kühlen Sekundärsterne im optischen bis infraroten, die weißen Zwerge im optischen bis ultravioletten und der Materiestrom mit dem Akkretionsfleck im optischen über den ultravioletten bis in den Röntgenbereich. Zur Zeit sind etwa 900 Kataklysmische bekannt. Davon gehören 450 zu den Zwergnovae, 130 zu den Novae und 100 zu den Novaähnlichen. Etwa 130 zählt man zu den magnetischen Systemen, 15 zu den AM CVn Sternen und 15 zu den superweichen Röntgenquellen. Letztere senden eine besonders langwellige, d.h. weiche Röntgenstrahlung aus. Die Rotationsperiode der meisten kataklysmischen Systeme liegt zwischen 0,05 und 0,5 Tagen mit einer Lücke im Bereich von 0,1 Tagen.

Im dritten Teil seines Vortrages ging Herr Reinsch auf Helligkeitsvariationen und Lichtkurvenanalysen ein. Es sind zunächst verschiedene Kategorien der Variabilität zu verzeichnen: Periodische Lichtwechsel durch den Bahnumlauf der beiden Komponenten (Minuten bis Tage) und die Eigenrotation des weißen Zwerges (Minuten bis Stunden). Quasiperiodische Helligkeitsschwankungen im Bereich von Sekunden entstehen durch Flickering und Oszillationen. Die Akkretionsrate kann sich im Rhythmus von Tagen bis Jahrzehnten ändern. Schließlich erfolgen die bekannten und teilweise recht spektakulären Ausbrüche im Abstand von Wochen bis zu Jahrmillionen. Die Analyse von Bahnlichtkurven ermöglicht Aussagen über Bahnperiode, Bahnneigung, Akkretionsgeometrie, Systemtyp und Änderungen der Akkretionsrate. Bedeckungslichtkurven geben Auskunft über die Trennung der Systemkomponenten und gestatten Größenbestimmungen, die Kartierung von Systemkomponenten sowie die Ableitung physikalischer Parameter. Die Eigendrehung des weißen Zwerges und die Akkretionsgeometrie (Pole, Scheibe, Strom) kann man mit Hilfe von Rotationslichtkurven erkunden. Hier spielt vor allem die unterschiedliche Temperaturverteilung auf dem weißen Zwerg eine Rolle.

Abschließend betonte Herr Reinsch die besondere Bedeutung der Amateurbeiträge bei der Erforschung kataklysmischer Sterne. Am Beispiel von AM Her demonstrierte er, wie mit Hilfe einer visuellen Gemeinschaftslichtkurve 1977-1998 der AAVSO die Langzeitvariabilität in polaren Kataklysmischen untersucht werden kann. Bei QR And ermöglichten Plattenaufnahmen aus dem Zeitraum 1890-1995 die Untersuchung der Langzeitveränderlichkeit dieser superweichen Röntgenquelle. Amateurbeobachtungen können verschiedenen Programmen dienlich sein: Der Periodenbestimmung neuer und bekannter Kataklysmischer, der Ephemeridenbestimmung, der Suche nach Novae- und Zwergnovaeausbrüchen sowie der Langzeitüberwachung von Zwergnovae, magnetischen Kataklysmischen und superweichen Röntgenquellen. Zudem kann eine Simultanbeobachtung mit Weltraumteleskopen durchgeführt werden.

Mit seinem Vortrag zeigte Dr. Klaus Reinsch, dass Amateurastronomen auch in der heutigen Zeit mit den Mitteln der visuellen Beobachtung wertvolle Beiträge zur Fortentwicklung der Veränderlichenastronomie leisten. Dies kommt besonders deutlich bei der Erforschung langfristiger Erscheinungen und Veränderungen zum Ausdruck. Hier zahlt sich die lang anhaltende Motivation der weltweiten Gemeinde von Liebhaberastronomen besonders aus. Die Wissbegierde der Veränderlichen-Freunde zeigte sich auch in der abschließenden Diskussion, in der viele interessante Fragen eine kompetente Antwort fanden.


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