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HP Lyr: Des Rätsels Lösung

Abstract: O-C-Diagram from 1930 ... 2001 with a more than 1% shorter period fits well to all published data and even to observations, which have been regarded unplausible or corrupted. Period changed heavily probably in early 1960$s. Elements valid since early 1980$s are given.

Im BAV-Rundbrief 1/2001, Seite 5 stellte ich den langperiodischen Bedeckungs-Programmstern HP Lyr vor. Es handelt sich um ein Riesensternsystem am Sommerhimmel mit ß-Lyrae-artigem Lichtwechsel, einem gleichberechtigten Nebenminimum, einer mittlerweile ungültigen Periode von 140,75 Tagen und Lichtwechselgrenzen zwischen 10,5 ... 11,0mag (phot). Amateur-Beobachter der 80er-Jahre stellten massive Abweichungen von den Vorhersageelementen der Literatur fest. Sie konnten ihre Daten unter keinen plausiblen Hut bringen und wagten nicht, eine stark veränderte Periode anzunehmen. Sie behielten die alte Periode bei und gaben nur eine neue Null-Epoche. Im weiteren Verlauf zeigte sich, daß alle Daten seit 1980 weder mit den alten noch den neuen Elementen gut dargestellt sind.

Im März 2001 erhielt ich von Jan Gensler einen Brief. Er hatte mein B-R-Diagramm aus dem Rundbrief 1/2001 kopiert, schräge Linien eingezeichnet und aus der Neigung der Linien die Vermutung abgeleitet, die Periode könne sich auf 138,9 Tage verkürzt haben. Er äußerte selbst Zweifel, ob eine Periodenverkürzung um über 1% überhaupt möglich ist. Ich versäumte, nach Jans Vorschlag ein B-R-Diagramm mit dieser Periode zu zeichnen. Anfang März 2002 erhielt ich Post aus der Schweiz von Anton Paschke. Anton ist moderner ausgestattet als ich und entwarf am PC ein B-R-Diagramm mit der von Jan vorgeschlagenen Periode. In diesem Diagramm finden alle Beobachtungsdaten einen plausiblen Platz. Das graphisch etwas umgebaute und auf mathematisch ausgeglichenen Elementen fußende Diagramm ist sehr überzeugend und ich nehme an, daß der Stern seine Periode Anfang der 60er-Jahre tatsächlich massiv verkürzt hat.

Meine Beobachtungsdaten sind ein Auszug aus der Lichtenknecker-Database vom Sommer 2000, den mir damals Franz Agerer überließ. Ich ergänze 3 Minima französischer GEOS-Amateure von H.Busch und meine eigenen Minima bis Herbst 2001. Die erste große Datengruppe von etwa 1930 ... 1960 besteht aus Plattenschätzungen von Profi-Astronomen, die den Stern danach liegen ließen. Ihr Datenhalbsatz (Nr. 000 ... 060) ist mit den Elementen Min 1: JD (24)26343,87 + 140,8245 * E ausgeglichen. Im Zeitraum 1960 ... 1980 entstand eine Beobachtungslücke und in ihr fand der Periodenwechsel statt. Die Minima ab den 80-er-Jahren sind überwiegend visuelle Schätzserien von Amateuren. Seit (24)44500 eignen sich zur Beobachtungsplanung die Vorhersage-Elemente (Nebenminima bei Phase 0,5):

Min 1: JD (24)44822,07 + 138,6746 * E

Die Vorgänge um HP Lyr zeigen, daß die visuelle Beobachtung langsamer Sterne unersetzlich bleibt. Es gibt keinen Anlaß, ungewöhnliche visuelle Beobachtungen grundsätzlich als Artefakte abzutun. Die Klärung solcher Befunde kann manchmal 20 Jahre dauern. Im heutigen Licht waren die Beobachter der 80er-Jahre auf dem richtigen Weg. Selbst ihre als sehr unsicher gekennzeichneten Beobachtungen passen gut in das B-R-Diagramm. Das schüchterne, vernachlässigte Sternchen ist jetzt ein auffälliges Objekt und wartet darauf, daß sich ihm jemand mit CCD-Technik oder fachastronomischen Methoden zuwendet. Außerdem sollte die Lücke mit Sonneberger Plattenschätzungen zu füllen sein.

Dr.med. Ralf Meyer, Fürnheim 16
91717 Wassertrüdingen, Tel.: 09832-65903

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